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Brauchen wir höhere Steuern? Eure Fragen zum Sozialstaat
Die Bundesregierung ist sich bei dieser Frage nicht einig. Während SPD-Chef Lars Klingbeil Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende nicht ausgeschlossen hat, setzt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf Einschnitte bei den Sozialleistungen. Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat Abstriche beim Sozialstaat nun erneut kritisiert.
"Wir können uns dieses System, das wir heute haben, einfach nicht mehr leisten," hatte zuvor der Bundeskanzler und CDU-Chef auf dem nordrhein-westfälischen Landesparteitag der CDU in Bonn gesagt. "Das wird schmerzhafte Entscheidungen bedeuten, das wird Einschnitte bedeuten." Damit die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung - "die großen Errungenschaften unseres Sozialstaates" - leistungsfähig blieben und nicht überfordert seien, müsse auch die Eigenverantwortung stärker werden. Auch CSU-Chef Markus Söder fordert "harte Reformen" des Sozialstaats.
Streit um Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialstaates
Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialstaates werde es mit ihm hingegen nicht geben, sagte Merz im ZDF-Sommerinterview. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, hier hätten Union und SPD Steuererhöhungen explizit ausgeschlossen.
Die SPD sieht das offenbar nicht so eng. Bundesfinanziminister Lars Klingbeil (SPD) hatte Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende im ZDF-Sommerinterview Mitte August immerhin nicht ausgeschlossen. "Da wird keine Option vom Tisch genommen," so der SPD-Chef.
Hintergrund: Trotz des milliardenschweren Schuldenpakets deutet sich im Bundeshaushalt eine gewaltige Lücke an. Mehr als 30 Milliarden Euro werden im Haushalt für das Jahr 2027 fehlen.
Eine Vermögenssteuer könnte je nach Berechnung jährlich zweistellige Milliardenbeträge in die Staatskasse spülen. Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält Einnahmen von maximal zehn bis 15 Milliarden Euro pro Jahr durch eine Vermögensteuer für realistisch.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und das ifo-Institut haben schon im Jahr 2017 verschiedene Varianten einer Vermögenssteuer mit Sätzen zwischen 0,4 Prozent und 1,2 Prozent modelliert. Bei einem angenommenen Freibetrag von einer Million Euro für Alleinstehende und zwei Millionen Euro für Ehepaare könnten über eine solche Steuer demnach kurzfristig bis zu 26,63 Milliarden Euro eingenommen werden.
Allerdings warnt die Studie auch davor, dass eine Vermögenssteuer langfristig das Bruttoinlandsprodukt und damit auch die Gesamtsteuereinnahmen stärker senken würde als durch sie eingenommen würden. Hintergrund ist, dass der mit Abstand größte Teil des Vermögens der reichsten Deutschen nicht einfach auf dem Konto liegt, sondern in Unternehmen steckt. Würde dafür eine Vermögenssteuer fällig, müssten Unternehmen bei den Investitionen sparen – mit negativen Folgen für Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze.
Tatsächlich gibt es in Deutschland schon eine Vermögenssteuer, sie ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit dem Jahr 1997 aber ausgesetzt.
Neben großen Vermögen könnten auch hohe Einkommen stärker besteuert werden. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer liegt in Deutschland derzeit bei 42 Prozent. Er gilt für Ledige bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 68.481 Euro, für Verheiratete ist die Grenze doppelt so hoch. Die SPD würde den Spitzensteuersatz gerne auf 47 Prozent erhöhen. Topverdiener zahlen in Deutschland außerdem eine Reichensteuer. Für Jahreseinkommen ab 278.000 Euro gilt ein Steuersatz von 47 Prozent, die SPD würde den Satz gerne auf 49 Prozent anheben.
Laut einer Berechnung des Bundesfinanzministeriums würde eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent im Jahr 2025 für 14 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen sorgen.
Ökonomen sind sich allerdings nicht einig, ob Steuererhöhungen der richtige Ansatz sind. Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, warnte im Handelsblatt, dass höhere Steuern gravierende Folgen für das Wirtschaftswachstum haben könnten. Eine höhere Einkommensteuer für hohe Einkommen und die Einführung einer Vermögenssteuer würden private Investitionen in Deutschland weiter senken, so Fuest.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint hingegen: "Deutschland wird seine Herausforderungen ohne Steuererhöhungen nicht stemmen können." Allein für die Erhöhung der Verteidigungsausgaben seien jährlich 150 Milliarden Euro zusätzlich nötig, deshalb führe kein Weg an höheren Steuern vorbei.
Auch Sozialabgaben könnten in den nächsten Jahren weiter steigen. Laut Sozialbudget, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jedes Jahr ausweist, flossen in Deutschland im Jahr 2024 etwa 1,3 Billionen Euro für Sozialleistungen. Das Geld kommt zu etwa einem Drittel (33,5 Prozent) vom Staat. Dabei zahlen sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen für die Sozialleistungen. Den Rest finanzieren die Beschäftigten (30,7 Prozent) und die Arbeitgeber (34,0 Prozent) im Wesentlichen über die Beiträge zur Sozialversicherung.
Die Sozialversicherungsbeiträge betragen sie schon jetzt rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens. Der Wirtschaftsweise Martin Werding geht davon aus, dass die Sozialabgaben noch im Laufe dieses Jahres auf 43 Prozent steigen könnten. Das liege vor allem daran, dass zahlreiche Krankenkassen in diesem Jahr ihre Zusatzbeiträge erneut angehoben haben. Auch in der Pflegeversicherung sei zum Jahreswechsel ein Anstieg der Beitragssätze zu erwarten.
Perspektivisch schätzte es Werding so ein, dass die Sozialabgaben in Deutschland auf 50 Prozent des Bruttoeinkommens steigen könnten.
Steuern und Abgaben sind im internationalen Vergleich schon jetzt hoch. Nach einer OECD-Studie ist die Abgabenlast in Deutschland im internationalen Vergleich schon jetzt überdurchschnittlich hoch, zuletzt musste ein Single mit einem Durchschnittsverdienst in Deutschland 47,9 Prozent seines Gehalts in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen. In dem Vergleich der 38 Industrienationen waren die Abgaben nur in Belgien höher.
Höhere Sozialabgaben können laut Bundesbank negative Folgen für die Wirtschaftsleistung haben. Weil bei hohen Abgaben für die Beschäftigten unter dem Strich weniger Geld übrig bleibt, sinke der Anreiz, zu arbeiten, das wiederum verstärke die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem Land.
Die Bundesregierung muss sich also entscheiden: Steigerung von Steuern oder Sozialabgaben?
Die Bundesregierung ist sich bei dieser Frage nicht einig. Während SPD-Chef Lars Klingbeil Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende nicht ausgeschlossen hat, setzt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf Einschnitte bei den Sozialleistungen. Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat Abstriche beim Sozialstaat nun erneut kritisiert.
"Wir können uns dieses System, das wir heute haben, einfach nicht mehr leisten," hatte zuvor der Bundeskanzler und CDU-Chef auf dem nordrhein-westfälischen Landesparteitag der CDU in Bonn gesagt. "Das wird schmerzhafte Entscheidungen bedeuten, das wird Einschnitte bedeuten." Damit die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung - "die großen Errungenschaften unseres Sozialstaates" - leistungsfähig blieben und nicht überfordert seien, müsse auch die Eigenverantwortung stärker werden. Auch CSU-Chef Markus Söder fordert "harte Reformen" des Sozialstaats.
Streit um Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialstaates
Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialstaates werde es mit ihm hingegen nicht geben, sagte Merz im ZDF-Sommerinterview. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, hier hätten Union und SPD Steuererhöhungen explizit ausgeschlossen.
Die SPD sieht das offenbar nicht so eng. Bundesfinanziminister Lars Klingbeil (SPD) hatte Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende im ZDF-Sommerinterview Mitte August immerhin nicht ausgeschlossen. "Da wird keine Option vom Tisch genommen," so der SPD-Chef.
Hintergrund: Trotz des milliardenschweren Schuldenpakets deutet sich im Bundeshaushalt eine gewaltige Lücke an. Mehr als 30 Milliarden Euro werden im Haushalt für das Jahr 2027 fehlen.
Eine Vermögenssteuer könnte je nach Berechnung jährlich zweistellige Milliardenbeträge in die Staatskasse spülen. Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält Einnahmen von maximal zehn bis 15 Milliarden Euro pro Jahr durch eine Vermögensteuer für realistisch.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young und das ifo-Institut haben schon im Jahr 2017 verschiedene Varianten einer Vermögenssteuer mit Sätzen zwischen 0,4 Prozent und 1,2 Prozent modelliert. Bei einem angenommenen Freibetrag von einer Million Euro für Alleinstehende und zwei Millionen Euro für Ehepaare könnten über eine solche Steuer demnach kurzfristig bis zu 26,63 Milliarden Euro eingenommen werden.
Allerdings warnt die Studie auch davor, dass eine Vermögenssteuer langfristig das Bruttoinlandsprodukt und damit auch die Gesamtsteuereinnahmen stärker senken würde als durch sie eingenommen würden. Hintergrund ist, dass der mit Abstand größte Teil des Vermögens der reichsten Deutschen nicht einfach auf dem Konto liegt, sondern in Unternehmen steckt. Würde dafür eine Vermögenssteuer fällig, müssten Unternehmen bei den Investitionen sparen – mit negativen Folgen für Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze.
Tatsächlich gibt es in Deutschland schon eine Vermögenssteuer, sie ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit dem Jahr 1997 aber ausgesetzt.
Neben großen Vermögen könnten auch hohe Einkommen stärker besteuert werden. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer liegt in Deutschland derzeit bei 42 Prozent. Er gilt für Ledige bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 68.481 Euro, für Verheiratete ist die Grenze doppelt so hoch. Die SPD würde den Spitzensteuersatz gerne auf 47 Prozent erhöhen. Topverdiener zahlen in Deutschland außerdem eine Reichensteuer. Für Jahreseinkommen ab 278.000 Euro gilt ein Steuersatz von 47 Prozent, die SPD würde den Satz gerne auf 49 Prozent anheben.
Laut einer Berechnung des Bundesfinanzministeriums würde eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent im Jahr 2025 für 14 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen sorgen.
Ökonomen sind sich allerdings nicht einig, ob Steuererhöhungen der richtige Ansatz sind. Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, warnte im Handelsblatt, dass höhere Steuern gravierende Folgen für das Wirtschaftswachstum haben könnten. Eine höhere Einkommensteuer für hohe Einkommen und die Einführung einer Vermögenssteuer würden private Investitionen in Deutschland weiter senken, so Fuest.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint hingegen: "Deutschland wird seine Herausforderungen ohne Steuererhöhungen nicht stemmen können." Allein für die Erhöhung der Verteidigungsausgaben seien jährlich 150 Milliarden Euro zusätzlich nötig, deshalb führe kein Weg an höheren Steuern vorbei.
Auch Sozialabgaben könnten in den nächsten Jahren weiter steigen. Laut Sozialbudget, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jedes Jahr ausweist, flossen in Deutschland im Jahr 2024 etwa 1,3 Billionen Euro für Sozialleistungen. Das Geld kommt zu etwa einem Drittel (33,5 Prozent) vom Staat. Dabei zahlen sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen für die Sozialleistungen. Den Rest finanzieren die Beschäftigten (30,7 Prozent) und die Arbeitgeber (34,0 Prozent) im Wesentlichen über die Beiträge zur Sozialversicherung.
Die Sozialversicherungsbeiträge betragen sie schon jetzt rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens. Der Wirtschaftsweise Martin Werding geht davon aus, dass die Sozialabgaben noch im Laufe dieses Jahres auf 43 Prozent steigen könnten. Das liege vor allem daran, dass zahlreiche Krankenkassen in diesem Jahr ihre Zusatzbeiträge erneut angehoben haben. Auch in der Pflegeversicherung sei zum Jahreswechsel ein Anstieg der Beitragssätze zu erwarten.
Perspektivisch schätzte es Werding so ein, dass die Sozialabgaben in Deutschland auf 50 Prozent des Bruttoeinkommens steigen könnten.
Steuern und Abgaben sind im internationalen Vergleich schon jetzt hoch. Nach einer OECD-Studie ist die Abgabenlast in Deutschland im internationalen Vergleich schon jetzt überdurchschnittlich hoch, zuletzt musste ein Single mit einem Durchschnittsverdienst in Deutschland 47,9 Prozent seines Gehalts in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen. In dem Vergleich der 38 Industrienationen waren die Abgaben nur in Belgien höher.
Höhere Sozialabgaben können laut Bundesbank negative Folgen für die Wirtschaftsleistung haben. Weil bei hohen Abgaben für die Beschäftigten unter dem Strich weniger Geld übrig bleibt, sinke der Anreiz, zu arbeiten, das wiederum verstärke die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem Land.
Die Bundesregierung muss sich also entscheiden: Steigerung von Steuern oder Sozialabgaben?